Am 13. Dezember fanden in Wien im kleinen Kreise – es durften nur ca. 100 TeilnehmerInnen an den Start gehen – die österreichischen Staatsmeisterschaften im Marathon statt. SU TRI STYRIA war auch mit seinen drei Stars, Eva Wutti, Stefan Dullnig und Tom Fasswald am Start, alle drei betreut durch den gemeinsamen Trainer und Laufbuddy Herwig Reupichler.
Gelaufen wurde die altbewährte Pendelstrecke durch die Praterallee, inklusive eines kleinen Abstechers durch den Park. „Bei 7km Rundenlänge müssen wir das Ganze dann sechs Mal durchlaufen und nach der letzten Runde noch weitere 195m drauflegen, um die volle Marathondistanz zu erhalten“ stellt Tom eindrucksvoll seine mathematischen sowie marathonspezifischen Kenntnisse unter Beweis und fügt noch gleich hinzu, dass „du bei diesem Kurs das Höhenmetertraining eher in den Hintergrund stellen solltest, flacher als hier geht‘s wohl nicht.“ Und Tom spricht aus Erfahrung, ist er doch im Frühjahr beim letzten Halbmarathon vor dem Lockdown und auch im Herbst beim Marathon genau hier am Start gestanden.
„Ja, das spezifische Training auf flachem Terrain ist natürlich die eine Sache“ merkt Dustef mit leicht reumütiger Stimme an, „doch noch wichtiger ist es, in der Vorbereitung fit zu bleiben und sich nicht zu verletzen.“ Gemeint ist damit seine Entzündung im Fuß, welche ihn fast einen Monat lang nicht vernünftig trainieren ließ und bis drei Wochen vor dem Start auch nicht klar war, ob er überhaupt antreten kann. „Wir mussten das Training dann Tag für Tag anpassen, ganz langsam und vorsichtig beginnen, immer kurze, langsame Laufphasen, gepaart mit vielen Gehpausen“ gibt Herwig Geheimnisse aus seinem Trainingsplan preis, „so konnten wir den Fuß dann Schritt für Schritt wieder aufbauen und Dustef wurde tatsächlich fit“.
„Mein bestes Training sind nach wie vor die Vorbereitungswettkämpfe“ fügt Eva hinzu, „und davon gab es ja heuer bekanntlich sehr wenige, das ging mir schon sehr ab“. Genau eine Woche vor dem Marathon in Wien ist Eva bereits in Valencia beim Marathon am Start gestanden, bereits nach 10km spürte sie allerdings, dass dies nicht ihr Tag sei. „Mit der Luft ging es mir sehr gut, ich konnte die geplante Pace (Anm.: 3:32min/km!!!) gut halten, hatte da überhaupt kein Problem. Aber die Muskeln wollten nicht so recht mitspielen, ich habe gleich gemerkt, dass da die Wettkampfkilometer fehlen. Deshalb hab‘ ich mich dann entschlossen, “nur“ den Halbmarathon zu beenden um dann in Wien eine Woche darauf nochmals angreifen zu können“. Ziel ihres Angriffes bedeutet nichts anderes als sich für Tokio 2021 zu qualifizieren, also den Marathon in unter 2:29:30 zu beenden. Und die Ziele der anderen?
Dustef war als Paceläufer für Eva eingeteilt (man erinnert sich vielleicht noch an die legendären Worte des Trainers: „Du Dustef, machst du?“ und dessen lang überlegte, ausführlich argumentierte und bis ins letzte Detail kommentierte Antwort: „Ja“) und wollte zumindest den ersten Halbmarathon mit beziehungsweise vor Eva laufen. Und Tom wollte seine persönliche Bestzeit aus Berlin aus dem Vorjahr unterbieten. „2:55:irgendwas hab ich als PB stehn, die letzten Tempotrainings haben jetzt gar nicht so schlecht ausgesehen, wenn ich den Lauf vernünftig angeh‘, könnt sich da echt etwas ausgehen…“.
Covid-Test, Kälte und fehlende Fans
Am Tag des Wettkampfes mussten sich unsere Athleten dann noch dem Covid-Test stellen, den sie jedoch alle mit Bravour bestanden. „Endlich ein negativer Test, bei dem Mutti stolz auf mich sein kann“ schmunzelt Tom noch, ehe er mit dem Aufwärmen beginnt. Temperaturen um 4°C ließen dann doch eine kleine Ungewissheit offen, da es in der Vorbereitung selten so kalt war und ein Marathon ohnehin noch nie bei diesen Temperaturen gelaufen wurde. Doch wer für einen Marathon im Dezember trainiert, den lassen auch die Temperaturen im Dezember…kalt.
Auffallend waren neben der Temperatur natürlich auch die fehlenden Fans, durften doch aufgrund der damals gültigen Bestimmungen keine Fans am Gelände stehen. So musste jede/r TeilnehmerIn das Rennen ohne die so wichtigen Anfeuerungen und Motivationen am Streckenrand bewältigen. „Und was war sonst noch besonders?“, fragt Herwig in die Gruppe, „na dass wir bis zum Startschuss eine Maske tragen mussten und diese erst beim Überqueren der Startlinie abnehmen durften“ kommt es aus allen drei Tristyriaten unisono geschossen…
Von Fiakern, fehlender Vernunft und Rekord-Kilometern
Das Rennen selbst verlief dann für Eva und Dustef wie geplant, sie konnten mit einer Gruppe zusammen die angepeilte Pace (Anm.: wir reden noch immer von 3:32min pro Kilometer!) laufen und sich so Schritt für Schritt dem Olympialimit nähern. Auch ein etwas übermotivierter Wiener Fiaker, welcher trotz Aufforderung sämtlicher – zufällig anwesenden – Besucher der Praterallee und trotz der vielen Markierungen und Kennzeichnungen am Boden auf seiner Ideallinie beharrte (Anm.: die Praterallee ist gerade. Keine Kurve. Nix. Nur gerade.) und so die Gruppe zu einem kleinen Ausweichmanöver zwang, konnte der Pace nichts anhaben. „Ich hab‘ das ganze etwas hinter euch beobachtet, das war ca. bei Kilometer Vier, der Fiaker ist einfach kerzengerade gefahren als ob er die Allee für sich gepachtet hätte“, erinnert sich Tom an diesen heiklen Moment. „Ja, da warst du aber auch etwas zu nah an uns dran“, deutet Herwig eine Abänderung der geplanten Pace von Tom an, „da hätte das Loch zwischen dir und uns ruhig etwas größer sein dürfen“, zwinkert er ihm zu.
Und Eva? Für sie wurde es dann ganz schwierig. Ab km 30 musste sie alleine laufen, war auf der Strecke insgesamt die zweite Dame, eine Argentinierin hatte sich zuvor an Eva vorbeigekämpft und auch schon ein gutes Loch aufgebaut, das wieder zu füllen schien unmöglich. „Ich weiß noch, ich war in meiner fünften Runde, bei Kilometer 32, da überrundete mich das MTB mit der ersten Dame und ich wollte dich nochmals anfeuern, aber du warst da noch ein paar hundert Meter dahinter“, erinnert sich Tom, der zu dieser Phase nur noch “5er-Zeiten“ laufen konnte. „Ich war komplett hinüber, hab mein Rennen leider vom ersten Kilometer weggeschmissen und das hat sich nun so gerächt“, schildert Tom seinen Zustand, den er zu diesem Zeitpunkt erfuhr. „Ich bin dann weitergelaufen, hab mich immer wieder nach dir umgedreht, weil ich dich noch anfeuern wollte. Mein Rennen war vorbei, das hab‘ ich gewusst. Ich dachte, wenn du an mir vorbeiläufst, schrei ich noch meine letzte Energie heraus und dann spazier‘ ich heim“. Doch daraus sollte nichts werden…
„Gerade als ich dich anfeuern wollte hat mich Herwig entdeckt (Anm.: Herwig war als offizieller Radbegleiter der schnellsten Österreicherin auch am MTB unterwegs und daher immer bei Eva auf der Strecke) und Herwig sagt auf einmal “so da vorn is da Tom, der läuft dir jetzt die Pace vor“ und es war aus mit meinem Plan des Anfeuerns und Heimspazierens…. Auf einmal wusste ich, dass ich jetzt noch einmal alles geben muss und siehe da, meine Beine konnten sich wieder bewegen.“ erzählt Tom, noch sichtlich erstaunt von der Pace, die er plötzlich imstande war zu laufen. „Ich hab‘ echt meine letzten Reserven zusammengeglaubt, konnte so knapp einen Kilometer für Eva und dabei ganz nebenbei natürlich meinen schnellsten Kilometer im Bewerb laufen“. Eva hat diesen Kilometer jedenfalls genutzt, um noch einmal ihre letzten Reserven zu sammeln und um doch noch einen Angriff zu starten.
„Das war so zwischen Kilometer 39 und 40, in dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich der Argentinierin wieder deutlich nähergekommen bin. Ich wusste, dass ich das Olympialimit heute nicht mehr schaffen werde, doch es gab noch zwei weitere Ziele für diesen Bewerb: 1. Dame und österreichischer Marathonrekord. Und so kämpfte ich mich in den letzten 2 Kilometer tatsächlich noch an meiner Gegnerin vorbei und konnte auch noch den Marathonrekord von Andrea Mayer einstellen“, berichtet Eva stolz von den letzten Kilometern. „Ja das war unglaublich“ ergänzt Tom beeindruckt, „die Argentinierin hatte bereits einen so großen Vorsprung und du hast sie dennoch noch geholt! Auch wenn ich mein Rennen verhaut hab, dieser eine Kilometer mit dir wird mir noch lange in Erinnerung bleiben…“ fügt Tom dann zum Schluss hinzu. Er selbst hat sein Rennen dann nach 35km beendet, sein Körper wollte nicht mehr.
Und jetzt? Was kommt 2021?
Bleibt zu guter Letzt noch die Frage, was denn Tristyriaten, welche im Dezember einen Marathon laufen, so für 2021 geplant haben? Herwigs Augen beginnen bei dieser Frage gleich zu funkeln, denn sind die Pläne für alle drei schon längst bekannt und es wird auch schon daran gearbeitet und bald mit dem Training begonnen:
„Natürlich gibt es für mich nur ein Ziel, Tokio 2021!“, schießt Eva als erste heraus, „im Moment bin ich über das Weltranking für Tokio qualifiziert, auch wenn ich das eigentliche Limit noch nicht unterboten habe. Doch dazu ist noch ein bisschen Zeit und ich habe ja bereits mehrmals erwähnt: Man wächst mit der Herausforderung!“.
„Ich hab‘ bei der Pace in Wien Blut geleckt“, gesteht Dustef und gibt kurz und bündig (man erinnere sich an seine detaillierte Antwort weiter oben) zu Protokoll: „2021, irgendein Marathon, unter 2:30h…“
Auch Tom weiß schon ganz genau, wo es ihn nächstes Jahr hin verschlägt, etwas geheimnisvoll berichtet er von seinen Plänen: „Ich möchte mich wieder etwas mehr auf den Triathlon konzentrieren, werde nach einigen Wettkämpfen zum Beispiel in Linz und in Frankreich erstmalig versuchen, einen Marathon zu laufen, bei dem ich davor ein bisschen geschwommen und geradelt bin…“
Beim Gedanken an 2021 funkeln mittlerweile alle Augen im Raum…